Martin, die Mädels und der Fußball

Geschichten rund um eine Millionen-Immobilie und ein ehrgeiziges Projekt beim Fußball-Landesligisten FC Bammental

 

Von Wolfgang Brück
Es geht um zwei Buben aus Bammental. Hannes und Martin (Die Namen sind von der Redaktion geändert). Sie sind acht und 14 Jahre alt. Hannes ist ein guter Schüler. Er liest viel und spielt Flöte. Doch Sport ist nicht sein Ding. Der Junge könnte ein bisschen Bewegung gebrauchen, finden seine Eltern. Sascha Lieneweg hat beobachtet, dass sich Hannes ganz geschickt anstellt, wenn die Jungs auf dem Hof Ball spielen. Der Leiter der Elsenztal-Schule spricht mit Andreas Haaf, dem Jugendleiter beim FC Bammental. Hannes hat Schwellenangst. Aber er lässt sich überreden, mal zum Training zu kommen. Wenn Corona vorbei ist, wird er sein Debüt im Tor des FC Bammental feiern. Ein stolzer Tag.

Martin ist schon länger dabei. Ein begabter Fußballer, aber die Leistungen in Mathe und Deutsch sind in den Keller gegangen. Die Kumpel sind das wichtigste für Martin und die Mädels, mit denen man mehr als mit Toren imponieren kann. Die Samstagabende auf der Neckarwiese werden länger, dann kommt auch noch sein Trainer dumm, weil Martin unausgeschlafen ist. Fußball ist für ihn gestorben.

Der Schulleiter und der Nachwuchschef überzeugen Martin, dass seine Entscheidung falsch ist. Auch Gabriel Meister schaltet sich ein. Der Bruder der früheren Meisterturnerin Daniela ist Verbindungslehrer. Die Zusammenarbeit zwischen Schule und Verein ist ein Kernstück des Jugend-Konzeptes FC Bammental. Die Voraussetzungen schuf das neue Klubhaus, das „in den nächsten 50 Jahren“ Heimat für Nachwuchs-Fußballer sein soll, wie FCB-Sportchef Friedbert Ohlheiser (66) betont. Das Gebäude nimmt nahezu die gesamte Längsseite des Sportplatzes ein. Es hat 3,5 Millionen Euro gekostet, drei Millionen übernahm die Dietmar-Hopp-Stiftung.

Nun will der Landesligist zurückzahlen. „Wir wollen das Haus mit Leben füllen“, verspricht Ohlheiser. „Wir wollen zu einem Magneten im Elsenztal werden“, kündigt Haaf an. Schon jetzt werden 200 Kinder und Jugendliche von 25 gut ausgebildeten Trainern betreut, zehn Mannschaften sind am Start, es bestehen Spielgemeinschaften mit Vereinen in Neckargemünd, Dilsberg, Gaiberg, Gauangelloch und Waldhilsbach.

Auch Hannes und Martin werden vom neuen Leuchtturm profitieren. Vielleicht ergattert der talentierte Jugendspieler sogar einen Platz in einem Nachwuchs-Leistungszentrum (NLZ) oder in einem der Förderzentren von „Anpfiff ins Leben“.

Die Region ist gut aufgestellt. Viele Buben träumen von einer Karriere im Profi-Fußball. Patrick Maurer war einer von ihnen. Er galt als außergewöhnliches Talent, wechselte mit 14 aus Ulm ins Jugend-Internat des VfB Stuttgart, wurde deutscher Meister mit der B-Jugend, bestritt ein Junioren-Länderspiel.

Doch mit 20 war Schluss. Die Knie spielten nicht mit. Jetzt, neun Jahre später, nach Abitur und einem Studium der Sportwissenschaften, ist er Vereins-Berater, einer von rund 60 hauptamtlichen Mitarbeitern bei „Anpfiff ins Leben“.

Maurer hatte Pech, doch eine Ausnahme ist er nicht. Im Gegenteil. „Nur zwei Prozent der Talente in den NLZ schaffen den Sprung und sind nach ihrer Laufbahn finanziell unabhängig“, sagt der Wahl-Walldorfer. Vom 20-köpfigen Kader seiner damaligen A-Jugend ist der große Durchbruch nur Bernd Leno gelungen, der bei Arsenal London das Tor hütet. Die Mehrheit spielt heute von der Dritten Liga abwärts, viele in Klassen, über die nur der Lokalsport berichtet.

Wer wie Maurer auf seine Mama gehört und sein Abitur gemacht hat, ist im Vorteil. Bei „Anpfiff ins Leben“ wird auf schulische Ausbildung mindestens genau so großen Wert wie aufs Kopfballspiel und Tempodribbling gelegt.

Vereine, die sich was abgucken wollen, ihre Nachwuchsarbeit konzeptionell und erfolgreich gestalten möchten, können sich beim Vereinsberater melden. Umsonst ist die Unterweisung nicht, doch meistens können für die moderaten Gebühren Fördergelder beantragt werden.

Um das Bammentaler Projekt auf den Weg zu bringen, hat Maurer Workshops abgehalten und in Video-Konferenzen Trainer geschult. Pädagoge Lieneweg macht Werbung für ein Sommercamp. Nebenbei verrät der 46-jährige Hamburger, dass er Fan des FC St. Pauli ist. Wenn alles klappt, wird der FC Bammental in der kommenden Runde wieder eine A-Jugend haben. Zum ersten Mal seit zehn Jahren.

„Je breiter die Basis, desto größer ist die Chance, von der Förderung des Nachwuchses im Senioren-Bereich zu profitieren“, sagt Jens Großmann. Der Cheftrainer kann mit den Jungen. Er hat erfolgreich beim SV Sandhausen gearbeitet.

Trainer wie Werner Sommer, der als Doppelgänger von Paul Breitner Geld verdienen könnte, Reinhard Wüst und Stefan Würth sind Feuer und Flamme. Sie sagen: „Durch das neue Klubhaus haben wir alle Möglichkeiten. Wir wollen gemeinsam mit unseren Nachbarvereinen was auf die Beine stellen.“

Es herrscht Aufbruchstimmung, obwohl Corona noch nicht ganz überwunden ist. Patrick Maurer ist zufrieden mit seinen Musterschülern. Er meint: „Dem Herrn Hopp würde es gefallen.“


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